Schon der Gelehrte Paracelsus (1493 – 1541) wies darauf hin, Wildkräuter zur rechten Zeit zu sammeln und warnt davor, wichtige Faustregeln zu missachten: „Denn wo solches misslingt, dürfen sie wohl keine Kraft haben“. So ermahnt Paracelsus schon im 15. Jahrhundert, Wildkräuter nicht im Regen oder Nebel zu ernten und sowohl auf die Jahreszeit, wie auch auf die rechte Tageszeit zu achten. („denn etliche in ihrer Jugend gesammelt werden, etliche, wann sie blühen, etliche, wann sie sich besamen.“)
Von dem, was anfangs mündlich überliefert und später dann zusammengetragen wurde, ist den meisten heute nur noch die kleinste Auswahl an Wissen geläufig. Denn was durch so viele Hände geht und immer wieder angewandt und auf den Prüfstand gestellt wird, muss sich bei jedem Anwender aufs neue beweisen. Die Informationen, die aber die Jahrhunderte mit ihren großen Revolutionen, ihren Umbrüchen und neuen Erkenntnissen überlebt haben, beweisen sich heute selbstbewusst vor dem Prüfapparat der Wissenschaft.
Nachfolgend wollen wir uns einen kleinen Überblick darüber verschaffen, zu welchen Zeiten und an welchen Orten wir unsere bevorzugten Wildkräuter sammeln können.
Wie sammle ich?
Grundsätzlich gilt es den Sammelprozess im Zusammenspiel mit der uns umgebenden Natur zu durchlaufen. Jede Pflanze, die groß genug ist, um von ihr zu ernten, hat sich über Monate oder meist Jahre gegen etliche Widersacher behauptet und sich den Platz an dem sie nun wächst hart erkämpft. Unser Sammelverhalten spiegelt anbei die Wertschätzung wieder, die wir unserer pflanzlichen Umwelt und den aus ihr entsprungenen Schätzen entgegenbringen. Um pflanzen- und umweltschonend zu sammeln, berücksichtigen Sie folgende Faustregeln:
- Gefährden Sie nicht die Population an einem Ort, sammeln Sie nur ihren tatsächlichen Bedarf.
- Sammeln Sie nur was Sie einwandfrei bestimmen können! Informieren Sie sich nach giftigen Doppelgängern!
- Bleiben Sie in Bewegung und wechseln Sie häufiger den Standort. Ernten Sie so, dass im Nachhinein nicht zu erkennen ist, dass hier gesammelt wurde: Trennen Sie niemals alle Blätter oder Blüten einer Pflanze ab und achten Sie darauf, dass diese später noch weiterwachsen und sich versähen kann.
- Achten Sie auf Schimmel, Ungeziefer, Pilze und Schmutz und nehmen Sie nur einwandfreie Pflanzenteile mit.
- Legen Sie ein Stück der geernteten Wurzel in das Loch zurück und verschließen Sie es, damit die Pflanze neu austreiben kann.
- Waschen Sie ihre Ernte nicht (außer Wurzeln) nach dem Sammeln, wenn Sie vorhaben das Sammelgut zu trocknen.
- Wenn Sie frische Wildkräuter für die Küche sammeln, schlagen Sie die Kräuter in ein feuchtes Tuch ein, so halten sie sich länger frisch.
- Verwenden Sie einen Korb, Stoff- oder Papiertaschen, niemals aber Plastiktüten.
- Achten sie darauf, möglichst wenig Druck- oder Schnittstellen entstehen zu lassen. Hier setzen sofort wirkstoffmindernde Oxidationsprozesse ein.
Wo sammle ich? (und wo nicht?)
Sammeln Sie dort, wo die Natur möglichst unbelastet ist und wo die gesuchten Wildkräuter in einer natürlichen Population auftreten. Neben dem eigenen Garten empfehlen sich Wiesen, Wälder, Flussufer, Feldränder, Hänge, und der Wegesrand.
Sammeln Sie nicht dort, wo Flächen landwirtschaftlich bestellt werden und Pestizide angewendet werden und meiden Sie auch Straßenränder und Bahngleise! Bahngleise werden mit starken und für den Menschen hoch giftigen Herbiziden besprüht, an Straßenrändern lagern sich Abgase ab. Achten Sie hier auf 50-200m Abstand. Natürlich darf auch in Naturschutzgebieten nicht gesammelt werden, ebenso wie das Sammeln geschützter und gefährdeter Pflanzen untersagt ist. Eine Auskunft über geschützte Pflanzen ihrer Region finden Sie in der Roten Liste, die meist im Buchhandel erhältlich ist.
Wann wird gesammelt?
Grundsätzlich gilt: Sammeln Sie bei blauem Himmel und schönem Wetter, nicht aber bei Regen oder Tau. Idealerweise hat es zuvor einige Tage geregnet, worauf mindestens 1-2 sonnige Tage folgten. Das hat den einfachen Grund, dass Pflanzen nach stärkeren Regenfällen einen höheren Wasseranteil und einen niedrigeren Wirkstoffgehalt haben. Aber auch starke Trockenheit kann den Wirkstoffgehalt der Pflanze mindern. Wechselhafte Witterungen bedeuten für den* fleißigen Sammler*in also die ideale Grundlage!
Verschiedene Jahreszeiten bieten unterschiedliche Erntemöglichkeiten. Während wir uns im Frühjahr eher auf junge Triebe, Blätter, Knospen und Rinden beschränken, bricht im Sommer die Hauptzeit der Kräuter an. Diese sammeln wir bevorzugt vor der Blüte, da nun die Kraft der Pflanze im Kraut steckt. Wurzeln, Samen und Beeren bringt uns wiederum der Herbst, – bis in den Dezember lassen sich viele Wurzeln stechen und wilde Beeren ernten. Im Winter ruht dann die Pflanze im Erdreich. Nach altem Volksglauben, gehören die Pflanzen in den dunkelsten Wintermonaten dem Reich der Geister an und dürfen vom Menschen nichtmehr in ihrer Winterruhe gestört werden. Rein praktisch ist die Pflanze nun im „Winterschlaf“: Der Wirkstoffgehalt ist gering und die Ausbeute spärlich, was uns ebenfalls dazu anhält, den Frühling abzuwarten.
Der Wirkstoffgehalt vieler Pflanzen ist aber nicht nur Jahreszeiten- sondern auch Tageszeitenbedingt. Nach 17 Uhr setzen zum Beispiel die Rückbildungstendenzen ein, weswegen Blätter nur bis, – Wurzeln aber ab, – 17 Uhr geerntet werden.
Blattpflanzen und Blüten werden idealerweise Vormittags bei trockenem Wetter gesammelt, ebenso wie Pflanzen mit ätherischen Ölen, da diese in der Mittagshitze verdunsten. Wurzeln werden dagegen am besten spät Abends oder früh Morgens (bis 3 Uhr morgens) geerntet, da die Kraft Nachts in die Wurzel zurückfließt.
Neben Jahres- und Tageszeiten spielt auch der Mond eine Rolle im Sammelkalender, wenn auch eine umstrittene. Worauf sich aber die meisten einig werden konnten, ist, dass die Säfte der Pflanze bei zunehmendem Mond auf- und bei abnehmendem Mond wieder absteigen. Was der Grund dafür ist, dass Blattpflanzen bei zunehmendem Mond gesammelt werden, nicht aber bei Vollmond. Neumond ist dagegen die Zeit der Wurzeln, jetzt konzentriert sich die Pflanzenkraft im untersten Teil der Pflanze. Traditionell werden die Blüten der Nachtschattengewächse bei Vollmond geerntet.
Wie trockne ich meine gesammelten Kräuter im Anschluss?
Um die Wirkstoffe und Aromen der Pflanze zu erhalten sollten auch in Sachen Trocknung und Lagerung ein paar Dinge beachtet werden.
Wie (Wild-) Kräuter schonend und sauber getrocknet werden können, erfahrt ihr im Beitrag „Kräuter trocknen – wie trockne ich Wildkräuter richtig?“
„sine ferro“ – Darf ich Messer und Scheren aus Eisen benutzen, um meine Wildkräuter zu ernten?
Immer wieder lese ich, dass vom Sammeln und Verarbeiten der Wildkräuter mit Messern aus Eisen abgeraten wird. Einen Grund dafür nennen die wenigsten, es scheint jedoch fest zu stehen, dass Porzellanmesser denen aus Eisen vorzuziehen seien.
Die Überlieferung „sin ferro“ also „ohne Eisen“ ist kulturgeschichtlich bedingt und findet ihren Ursprung in dem Glauben, Eisen sei ein unreines (weil kriegerisches) Material, mit dem gegen Bauern und ackerbautreibende Völker Krieg geführt wurde. Dieses schlechte Metall sollte den heiligen Boden nicht berühren, weswegen mit kultischen Gütern wie beispielsweise Hirschgeweihen gegraben wurde. Kaum zu glauben, aber diese Überlieferung aus der Eisenzeit hält sich heute noch hartnäckig in einschlägigen Kreisen. Dem* bemühten Sammler*in möchte ich aber die Furcht vor dem Eisen nehmen: Ein handelsübliches Messer ist genauso geeignet wie ein spezielles Kräutermesser.
Lohnt sich das selber Sammeln überhaupt noch?
Heilpflanzen und Wildkräuter gibt es längst in jeder größeren Apotheke zu kaufen und auch in Drogerien und Supermärkten finden wir Teemischungen und pflanzliche Arzneimittel zu günstigen Preisen. Was also spricht heute noch dafür, selber loszuziehen und den mühsamen Weg des Suchens, Sammelns und Trocknens auf sich zu nehmen?
Diese Fragen stellen wir uns heute zurecht, denn längst haben wir das Vertrauen in unsere eigene Selbstwirksamkeit verloren. Kann eine große Plantage nicht höherwertige Kräuter züchten, als sie in meinem Garten wachsen? Sind professionell geerntete Teemischungen nicht sicherer und versprechen eine bessere Wirksamkeit, als meine selbstgesammelten Kräuter? Dabei verspricht das Sammeln von Hand eine überaus schonendere Ernte, als es riesige Pflückmaschinen zustande bringen. Im Massenanbau werden auf Monokulturen Pflanzen gezüchtet, die anschließend in Krüllschnitt zerhäckselt werden, wodurch an jeder Schnittstelle wirkstoffmindernde Oxidationsprozesse einsetzen. Wer aber von Hand sammelt, der*die nimmt nur die gesündesten Blätter mit, verletzt die Pflanze beim Sammeln so wenig wie möglich und kann das Gesammelte behutsam trocknen. Diese selbstgeernteten Kräuter überschreiten nicht selten die vom Deutschen Arzneibuch (DAB) vorgeschriebene Mindestmenge an Wirkstoffen.
Und ganz nebenbei: Wer sich in die Natur begibt und mit seiner Umwelt auseinandersetzt, hat den ersten Schritt zu mehr Gesundheit und Wohlbefinden bereits getan!
Über die Autorin
Hallo, mein Name ist Hanna Rose und das ist der Kräuterhain!
Hier nehme ich meine Leser*innen mit in den Garten, die Küche und den Sammelpfad. Wenn ich dich dabei inspirieren, dir helfen oder einfach ein paar Tipps und Anregungen geben kann, freue ich mich!
Als Bloggerin arbeite ich ständig daran, meinen Leser*innen einen Einblick in meinen Alltag zu geben und mühsam gesammelte Erfahrungen und Wissen weiter zu geben. Du bist herzlich eingeladen, mich auf meinem Weg zu begleiten!
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Die Informationen in meinen Beiträgen trage ich persönlich und mit größter Sorgfalt zusammen. Die von mir erstellten Texte und Medien dienen ausschließlich der Unterhaltung. Bei gesundheitlichen Beschwerden können im Internet recherchierte Informationen niemals einen Arztbesuch ersetzen! Zur Bestimmung von Pflanzen und Pilzen empfehle ich immer mehrere Quellen zu Rate zu ziehen und im Zweifelsfall die Meinung eines*er Experten*in einzuholen, um gefährliche Verwechslungen zu vermeiden.
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